#ABC-Musiknotation – und wie ich von einer Verfechterin handgeschriebener Noten zur ABC-Expertin wurde!

Aus dem Leben einer Notensetzerin

Heute möchte ich mich einem Thema widmen, mit dem wir Chorleiterinnen und Chorleiter in der Praxis oft konfrontiert sind: Dem Bedarf, unsere Chöre mit “ordentlichem” Notenmaterial zu versorgen.

Immer wieder erlebe ich, dass ich selbst oder KollegInnen vor einer Situation wie der folgenden stehen:

Ich möchte morgen gerne mit meinem Chor einen neuen Chorsatz/einen Kanon/ein Quodlibet/oder Ähnliches einstudieren, hab allerdings nur ein ganz schlechtes Notenexemplar davon (wie so oft die extremst schlechte Kopie von der schlechten Kopie von der Kopie)… siehe folgendes Paradebeispiel:

Dieses Exemplar von F. Schuberts “Die Nacht” ist ein köstliches Beispiel für ein Notenblatt mit laaanger Geschichte - wohl eher bereits einem Kunstwerk gleich…! 😃

Wie komme ich an brauchbare Noten – und zwar: schnell?

Hier mein Vorschlag:
Warum den Chorsatz nicht geschwind selbst setzen?
So der Komponist/die Komponistin bereits seit 70 Jahren verstorben ist, ist dies natürlich legal und in relativ überschaubarer Zeit zu bewerkstelligen.
Essenziell dafür ist ein geeignetes Notensatz-Programm.
Hier stehen uns einige professionelle Programme wie Sibelius oder Capella zur Verfügung. Genau vor dem Kauf eines solchen Programmes schrecke ich persönlich aber bis dato zurück.

Meine Einschätzung dazu war schon immer:

  • das ist doch technisch viiiel zu kompliziert für mich
  • und: es ist viel zu zeitintensiv, mich ordentlich damit auseinanderzusetzen
  • und: in letzter Konsequenz ist es doch einfach zu teuer dafür, dass ich es schlussendlich vermutlich nur selten verwenden werde…

Oft denke ich an meine Studienzeit in Wien zurück, als ich im Kirchenmusik-Masterstudium im Fach „Geistliche Komposition“ drei Chorstücke komponieren durfte. Das war eine spannende Erfahrung und ich kann mich noch sehr gut an das aufregende und beglückende Gefühl erinnern, als der Chor des Kirchenmusikinstituts schlussendlich meine fertigen Werke zum Klingen gebracht hat.

Eine Computernotation der Stücke habe ich aus oben genannten Gründen damals (2012) strikt boykottiert – stattdessen weiß ich noch ganz genau, wie ich stundenlang an meinem Schreibtisch gesessen bin, um mein Geschreibsel rein zu schreiben.
Hier ein kleiner Auszug meiner Vater Unser-Vertonung auf aramäisch, für fünfstimmigen Männerchor, fünf Sprecher, Gemeinde, Orgel und mittelgroßes Tam-Tam:

Heute denke ich übrigens anders darüber und bin am Überlegen, meine Stücke doch noch zu setzen, um eine neuerliche Aufführung der Stücke zu vereinfachen, und sie im Zuge dessen auch zu bearbeiten und praxistauglicher zu machen. Denn, seien wir uns ehrlich: weder der fünfstimmige Männerchor noch das mittelgroße Tam-Tam hängen einfach so am Nagel… 😉

Nun zurück zu meiner Ausgangsfrage:

Wie komme ich an brauchbare Noten – und zwar: schnell?

Ich möchte an dieser Stelle die ABC-Musiknotation vorstellen - eine kostenlose Alternative zu den gängigen Notensatzprogrammen, die auch gänzlich anders funktioniert. Die ABC-Musiknotation ist nämlich eine Musikbeschreibungssprache und wurde ursprünglich von dem Musiker und Mathematiker Chris Walshaw dafür entwickelt, dass Folk-Musiker ohne Notenkenntnisse ihre Stücke aufschreiben konnten.

Die Noten werden einfach als Text notiert, etwa:

Wer das spannend findet und Lust und Zeit hat, sich damit auseinanderzusetzen, für die/den habe ich folgenden Tipp:
Der Komponist Gerhard Schacherl arbeitet seit vielen Jahren mit der ABC-Musiknotation und hat dazu auf seiner Website ein empfehlenswertes Tutorial zusammengestellt.
Zum Erstellen des ersten eigenen Notenblattes empfehle ich diesen ABC-Web Editor.

Für besonders ambitionierte bzw. fortgeschrittene ABC-lerInnen:
Es ist auch möglich, komplexere Werke in der ABC-Musiknotation zu notieren. Ich selbst habe mich im Laufe des letzten Jahres intensiv damit auseinandergesetzt und mich auch hinsichtlich eines optimalen Layouts herumgespielt.
Hier ein kleiner Ausschnitt aus “Frischer Wind” (Neun Lieder für den Gottesdienst von Stefanie Poxrucker, Arrangements für SATB, Klavier/Orgel und Soloinstrument; Herausgegeben vom Kirchenmusikreferat Linz und der KJ OÖ):

Na, ist Deine Neugierde geweckt und Deine Beschäfigung fürs Wochenende gesichert? 😉

Viel Spaß beim Experimentieren (und auch eine Portion Geduld für den Anfang) wünscht Dir

Marina

P.S.: Ich freue mich über Rückmeldungen/einen Ideenaustausch/Diskussionen/Fragen per E-Mail (mail@marinaschacherl.at).

P.P.S.: die erwähnten drei Kompositionen aus meiner Feder, übrigens meine ersten Gehversuche als Komponistin, habe ich jahrelang liebevoll „Opus 1, Opus 2 und Opus ultimum“ genannt… 😃
Mittlerweile haben sich dann doch die ein oder andere Komposition bzw. einige Arrangements dazugesellt. Und aus meiner krakeligen Handschrift wurden wunderschöne gesetzte Notenzeilen.
Praktisch, oder?
Man darf doch mit der Zeit gehen… 😉


ABC-Musiknotation (kostenloses Notensatzprogramm)

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