#chorprobe...und warum das Singen auch online Spaß und Sinn macht.

Chorprobe goes online.

Nun habe ich es also gewagt!
Ich habe die ersten Online-„Meetings“ mit meinem Chor VOCAMUS veranstaltet.
Und mein Fazit ist: das ist wirklich super! Die Proben machen Spaß und sind aus meiner Sicht aus mehreren Gründen sinnvoll.

Zwar können Online-Proben das Chorsingen, wie wir es lieben und gewöhnt sind, nicht annähernd ersetzen - denn auf Grund der Latenzzeit ist ein gemeinsames Atmen und Singen gar nicht möglich.

Aber:

Online-Proben bieten uns Chorleiter*innen meines Erachtens in dieser kargen weil „chorfreien“ Zeit eine gute Alternative dazu, dass gar nichts stattfindet.
Und was möglich ist, ist ganz viel!
Sowohl unter sozialen als auch unter musikalischen Gesichtspunkten betrachtet.

Aus sozialer Sicht:

📌 Wir können uns endlich wiedersehen und uns – ganz ohne Maske – anlächeln.
📌 Wir können uns über Neuigkeiten austauschen und ins Plaudern kommen.


Aus musikalischer Sicht:

📌 Wir können Einzelstimmen ausproben.
📌 Wir können Lieder „gemeinsam“ durchsingen, zur Klavierbegleitung und zum Gesang der Chorleitung. Ich finde alleine schon den Gedanken schön, dass man gemeinsam gerade dasselbe Lied singt – auch wenn man sich dabei nicht hören kann.


Aber nun möchte ich für Dich meine Realisierung von Online-Proben, von der Idee bis zur Umsetzung, Revue passieren lassen. Ich möchte Dir einen Einblick geben in meine Vorbereitungen und die schlussendliche Durchführung.

Denn:

  • Vielleicht spielst auch Du mit dem Gedanken, Dich mit Deinen Sänger*innen im Netz zu versammeln, und weißt nur noch nicht, wie Du das angehen sollst?
  • Oder Du probst vielleicht schon remote mit Deinen Sänger*innen, aber ich kann Dir dennoch ein paar neue Gedanken und Tipps mit auf den Weg geben?

Ich freue mich sehr, wenn meine Ausführungen Dir Inspiration und Hilfe sein können.


Ein Rückblick:

Ende Oktober hätte für mich und meinen Chor VOCAMUS die Probenarbeit für unser a cappella-Weihnachtsprojekt begonnen. Alles war organisiert: vom Notenmaterial über große Säle zum Proben bis hin zu geeigneten Aufführungsorten. Mitte Oktober ist mir schrittweise klar geworden, dass unser Projekt so nicht stattfinden wird können, und ich musste meinen Sänger*innen schweren Herzens absagen. Ein déja-vu zum März - da stand ich kurz vor Probenbeginn exakt vor der gleichen Situation…

Aber: diesmal habe ich schon bei der Absage angekündigt, dass ich mir eine Alternative einfallen lassen werde, wie wir trotzdem in irgendeiner Form miteinander singen werden können.


Meine anschließende, zugegebenermaßen etwas verrückte Idee war folgende:

An den vier Montagen im Advent Online zu proben und uns dann nach Weihnachten, am 28. oder 29.12. (da wären ursprünglich unsere Konzerte geplant gewesen) outdoor zu treffen, um die geprobten Weihnachtslieder zu singen. Für uns selbst oder sogar für ein paar Menschen. Jedenfalls zum ersten Mal tatsächlich gemeinsam. Eine schöne Geschichte! 😊 … aus der leider auf Grund der aktuellen Covid-Maßnahmen nichts wird.
Dennoch sind unsere Online-Zusammenkünfte sinnvoll und schön, auch wenn sie nicht mit einem konkreten Aufführungsziel verknüpft sind.


Für unsere erste Probe habe ich mich auf die Suche gemacht nach einem geeigneten Programm, über das wir unsere Online-„Meetings“ veranstalten könnten. Um hier eine gute Entscheidung treffen zu können habe ich auch Chorleiterkolleg*innen befragt, die bereits Erfahrung mit Online-Proben gesammelt hatten.
Ich habe mich schlussendlich für das Programm ZOOM entschieden, und zwar für die Pro-Variante, die Meetings mit bis zu 100 Teilnehmer*innen für bis zu 24 Stunden zulässt (huuiii, da könnten wir proben, bis wir heiser sind! 😉).
Bezahlt habe ich dafür für ein Monat schlappe 16,79 €.
Was wirklich super ist: ZOOM Pro ist monatlich kündbar, es gibt keine Werbeanzeigen, UND: das Programm ist relativ leicht zu handhaben.

💚😉 Ein kleiner Fun-Fact zwischendurch: man kann die Videos der Teilnehmer*innen sogar verschieben. In der ersten Probe hatte ich riesigen Spaß damit, eine “Choraufstellung” zu basteln, und die Sänger*innen tatsächlich nach Stimmgruppen zu ordnen. 😉💚

Übrigens, solltest Du auch das Programm ZOOM für Deine Online-Proben nützen, habe ich einen so genannten „Wöd Tipp“ (= Welt Tipp) für Dich:
❗ In den erweiterten Audioeinstellungen gibt es die Option, im Meeting den „Originalton“ zu aktivieren. So hört sich das Klavier für Deine Sänger*innen tatsächlich wunderbar nach Klavier an, der Sound ist um Welten besser! 😊❗

Deine Sprechstimme ist so zwar etwas leiser, aber trotzdem noch gut genug zu hören.


Und was soll man aus der Sicht der Chorleitung prinzipiell bei Online-Proben bedenken?

In erster Linie, dass ein tatsächliches gemeinsames Singen leider auf Grund der Latenzzeit nicht möglich ist. Das ergibt einfach ein riesiges Chaos.
Das bedeutet: Alle Sänger*innen müssen sich während der Probe auf „stumm“ schalten.

Ich habe dennoch nach Möglichkeiten gesucht, wie man einander zumindest ab und an hören kann. Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit, die Stumm-Schaltung kurz aufzuheben, und zwar, indem man die „Leertaste“ drückt und gedrückt hält.
Ich habe beim Einsingen immer wieder eine oder zwei Übungen dabei, wo wir entweder „einen Cluster bilden“ (jede*r sucht sich einen Ton zum Stehenbleiben aus und drückt dann die Leertaste) oder am Schluss vierstimmig in einem Dreiklang landen (mit gedrückter Leertaste), sodass wir einander hören können.

Eine Übung, die dafür gut geignet ist, ist zum Beispiel:

Am Schluss können die Soprane am c2, die Tenöre am g1, die Altistinnen am e1 und die Bässe am Grundton stehenbleiben - und wir haben einen wunderbaren C-Dur-Akkord, nochdazu mit einer Übung, die uns textlich in Weihnachtsstimmung bringt. 🎄

(Eine kleine Anekdote zwischendurch: Betreffend die Formulierung “lasst uns einen Cluster bilden” muss ich gerade an eine Chorleiter-Freundin von mir denken, die mich vor ein paar Wochen einmal darauf hingewiesen hat, dass eine Cluster-Bildung in dieser Zeit vielleicht gar nicht so erstrebenswert ist. 😄…)

Eine weitere Idee:
Bei der letzten Probe habe ich eine Chorimprovisation über das Gotteslob-Lied „Gott heilger Schöpfer“ ausprobiert. Jede Verszeile dieses Hymnus hat 8 Töne. Jede Sängerin bzw. jeder Sänger hat sich eine unterschiedliche Zahl zwischen 1 und 8 überlegt, z.B. die Zahl 2 – und ist dann eben am 2.ten Ton jeder Verszeile stehen geblieben. Das ergibt besonders spannende Cluster – und das Herz der Chorleiterin frohlockt! 💚🎵

Es zahlt sich meiner Ansicht nach sicherlich aus, diesbezüglich kreativ zu sein, denn diese kleinen Momente des wirklichen gemeinsamen Singens und einander Hörens sind, wie ich finde, momentan tatsächlich unbezahlbar.

Ansonsten sind Online-Proben aus Sicht der Chorleitung ehrlich gesagt One-Woman-Shows (bzw. One-Man-Shows). Man muss sich daran gewöhnen, dass man akustisch keine Rückmeldung bekommt.
Als Tipp kann ich Dir mitgeben, einfach nachzufragen, und um eine kurze akustische Rückmeldung oder um Handzeichen zu bitten (👍🏻👎🏻), ob Stellen schon klappen, oder nochmals ausgeprobt werden sollen. Auch der Chat kann für Fragen, Anmerkungen, Bitten gut genutzt werden.


Und: was braucht man eigentlich als Sänger*in, um an einer Online-Probe teilzunehmen?

👉 Den Link zum Meeting

Diesen habe ich als Host vorab erstellt und verschicke ich immer am Tag der Probe per E-Mail. Eigentlich braucht man für die Teilnahme am Meeting gar nichts zu installieren, denn ZOOM lässt sich auch im Browser öffnen. Bei mir haben es tatsächlich alle teilnehmenden Sänger*innen problemlos geschafft, zeitgerecht in die Meetings einzusteigen.

🎧 Ein Headset, wenn man möchte (es geht auch ohne!)

🪑 Einen stabilen Sessel ohne Rollen

Bei der allerersten Probe sind wir die ganze Zeit gesessen, auch beim Einsingen. Mittlerweile denke ich, dass ein Mix aus stehen und sitzen am Besten ist.
Wir kennen es mittlerweile alle: Online-Veranstaltungen werden mit der Zeit ermüdend. Und das Starren in den Bildschirm ist leider nicht unbedingt förderlich für eine sängerische Haltung.
Daher: zwischendurch mal aufstehen, den Körper durchschütteln, das ein oder andere Stück im Stehen durchsingen ist sicherlich empfehlenswert.

🎵 Noten – am Besten in ausgedruckter Form.

Ich habe für meine Sänger*innen einen OneDrive-Ordner erstellt, wo ich einige Stücke hochgeladen habe. Am Tag der Probe schicke ich immer auch die Titel der Stücke aus, die ich am Abend proben möchte – sodass man diese vorab ausdrucken und vorbereiten kann.

Übrigens: vielleicht hast Du Interesse am Notenmaterial, das ich für meine Proben zusammengestellt habe? Ich verlinke den OneDrive-Ordner unten in den Show Notes.
Es sind lauter Advent-/Weihnachtsstücke, die meisten davon vierstimmig, die es in gemeinfreien Editionen im Internet zu finden gibt. Das ist mir besonders wichtig – denn illegale Kopien möchte ich nicht verbreiten…

✏ Für die besonders Fleißigen: einen Bleistift zum Eintragen von Ansagen der Chorleitung.

💒 Tolerante Nachbarn. 😉

Mein Partner Roman und ich leben in einer zweigeschossigen Wohnung. Da er als Mitglied von VOCAMUS auch an den Online-Proben teilnimmt, beschallen wir nun jeden Montag Abend beide unser Umfeld. Er im 1. Stock, ich im 2. Stock.
Und man muss sagen: Wir haben tatsächlich wunderbare Nachbarn. Nach der ersten Probe haben wir von unserem Nachbar Bernd folgende WhatsApp-Nachricht erhalten:


Zum Abschluss habe ich noch eine spannende Anregung für Dich:

Am Ende der letzten Probe habe ich eine Online-Umfrage eingebaut.
Dafür habe ich das Umfrage-Tool SLIDO genutzt. Die Sänger*innen konnten die beiden Fragen, die ich mir im Vorfeld überlegt hatte, einfach auf ihrem Smartphone beantworten.
Unter anderem wollte ich wissen, welches Stück wir mehrheitlich am Schluss der Probe nochmal singen sollen (zum Ergebnis dieser Umfrage nur so viel: die “Chorimprovisation” ist es gaaaanz knapp leider nicht geworden… 🤣).

Und folgende Frage habe ich noch gestellt:


Schööön, oder? 😍
Ich habe mich sehr über diese feinen Rückmeldungen gefreut.

Übrigens:
Das “Durstig” stammt von mir.
Ich war´s allerdings nicht sehr lange, denn nach der Probe sind wir in einer kleineren Runde noch einige Zeit zusammengesessen. Mit einem Gläschen Wein. Und es musste, wie kann es anders sein, auch so mancher Keks daran glauben… 😉


Ich hoffe, ich konnte Dir mit meinen Gedanken und Erzählungen ein paar hilfreiche Tipps mit auf den Weg geben. Die nützlichen Links habe ich untenstehend für Dich zusammengefasst.
Wie immer freue ich mich über Rückmeldungen/einen Ideenaustausch/Diskussionen/Fragen per E-Mail (mail@marinaschacherl.at).

Außerdem möchte ich Dich herzlich einladen, meinen frischgebackenen Newsletter zu abonnieren. Darin teile ich mit Dir einmal im Monat per E-Mail meine Gedanken und Ideen zum Thema (Chor)singen, interessante Informationen zu unterschiedlichen chorleiterischen Themen, Tipps zu aktuellen Veranstaltungen und zu lesenswerten Büchern. Und ich informiere Dich auf diesem Wege gerne über neue Blog-Artikel und aktuelle Folgen meines Podcasts „Chor & Stimme“.

Alles Liebe und Frohe Weihnachten wünscht Dir

Marina
  • Über diese Website kann man einen ZOOM Pro Account erstellen. Im nächsten Schritt ist ein Auswählen von “monatlicher Abrechnung” möglich.

  • Hier findest Du den Link zum OneDrive-Ordner mit den Advent- und Weihnachtsnoten, die ich für meine Online-Proben mit VOCAMUS genutzt habe. Bis auf den schönen Chorsatz “Is a stille Zeit” von Christian Dreo sind die Noten gemeinfreies Material. Christian Dreos Stück (aus “22 weitere Lieder für Chor”) darf man aber als “fair copy” verbreiten - wenn man ihm 10 Cent pro kopierter Seite auf sein Konto überweist (die Daten stehen auf dem Notenblatt). 😊👍🏻
    Vielleicht kannst Du Stücke aus der Sammlung nächstes Jahr für Deinen Chor verwenden?

  • Und nun folgt noch die Empfehlung des Online-Tools, das ich für die Handy-Umfrage verwendet habe: SLIDO. Das “Basic”-Paket mit bis zu fünf Fragen und bis zu 100 Teilnehmer*innen ist sogar kostenlos!

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