Stimmbildung in der Chorprobe - ... wie geht es stimmbildungstechnisch nach dem Einsingen weiter?

Einsingen im Chor - Teil 3

Im letzten Teil meines dreiteiligen Blog-Posts zum Thema „Einsingen im Chor“ geht es um die „Stimmbildung in der Chorprobe“ – denn für uns Chorleiter*innen ist die stimmbildnerische Arbeit bekanntlich nach dem chorischen Einsingen noch lange nicht zu Ende.

❓❓ Wie können wir unsere Sänger*innen auch während der restlichen Probe bestmöglich unterstützen? ❓❓

Ich habe zur „Stimmbildung in der Chorprobe“ ein kreatives Brainstorming gemacht und dafür die KaWa-Methode von Vera Birkenbihl angewendet.
(Was ist das genau? Dazu findest Du eine Erklärung in den „Nützlichen und interessanten Links“ unten.)

Kombiniert mit meiner neu entdeckten Leidenschaft für “Sketchnotes” und für das “Hand Lettering”, ist diese Zeichnung dabei herausgekommen:


Du hast mir gerade live beim Zeichnen-Üben zuschauen können. 😀
Nunja, ich stehe erst am Anfang meiner “Karriere” im Sketchnotes zeichnen - und einige der angeführten Punkte bedürfen vielleicht doch noch einer näheren Erklärung. 😉


📌 Tonfolge ➡ Übung 🎶

Damit meine ich, aus schwierigen Tonfolgen in der Literatur eine Stimmbildungsübung zu machen – die dann entweder bereits beim Einsingen oder erst später während der Probe ihren Platz haben kann.
Ganz im Sinne von „aus schwer mach´ leicht“ kann man so die eine oder andere Stelle vielleicht sogar spielerisch erschließen und im selben Atemzug die Neugierde der Sänger*innen wecken.


📌 Mimik 😊

Wir kennen alle das Gesetz der Spiegelneuronen - dass wir mit unserem Gegenüber mitfühlen und sich unsere Stimmung auf unser Gegenüber überträgt.
Das bedeutet für uns Chorleiter*innen, dass wir mit unserer Mimik sehr viel Unterstützung bieten können. Unser motivierendes Lächeln, unser freundlicher Ausdruck, unsere Geduld, unsere motivierenden Blicke übertragen sich eins zu eins auf die Sänger*innen und somit auch auf den Klang ihrer Stimmen. Umgekehrt hat es aber auch einen Effekt auf unsere Sänger*innen, wenn wir säuerlich in unsere Noten blicken, weil die besagte Stelle „immer noch nicht klappen will“. 😉


📌 Gestik 🤚🏻

Auch mit unserer Gestik können wir den Sänger*innen helfen, indem wir stimmbildnerisch helfend dirigieren. Was bedeutet das konkret?

  • Versuche, bereits auf dem Vokal einzuatmen, der als nächstes gesungen wird (der eingestellte „Raum“, der für den jeweiligen Vokal benötigt wird, überträgt sich sogleich auf die Sänger*innen).

  • Achte auf die sängerische Atmung (auch diese überträgt sich).

  • Versuche, die Schlagebene insbesondere bei hohen Stellen eher tief zu halten, Phrasen gut anzuzeigen und die Sänger*innen „mitzunehmen“.


📌 Hörtraining 👂🏻

Ein Chor ist und singt tatsächlich nur so gut, wie seine Leitung hört. 🙂 Wenn wir als Chorleiter*innen Wert auf eine gute Intonation legen, dann spitzen automatisch auch die Sänger*innen immer mehr ihre Ohren und hören bewusster zu.
Hörtraining kann sowohl beim Einsingen als auch während der Chorprobe Platz haben.

Hier einige Ideen dazu:

  • Mehrstimmige Akkorde oder herausfordernde Intervalle singen oder summen (eventuell konkret aus der Literatur entnommen).

  • Die Funktion der Töne im Akkord erklären.

  • Harmonische Zusammenhänge erschließen.

  • Technische Herausforderungen besprechen und unterschiedliche Hilfestellungen bieten. („lächeln“, „mehr Raum“, „der Kopf ist eine Klangkuppel“, „das Gefühl von innerer Weite“, …).


📌 Chaotische Choraufstellung 🎲

Mit verschiedenen Choraufstellungen zu experimentieren kann ein klanglich sehr lohnendes Unterfangen sein. Die chaotische (oder gemischte) Choraufstellung, bei der die Stimmen bunt durcheinander gewürfelt stehen, bewirkt ein aufmerksameres Hören aufeinander, und interessanterweise oft einen homogeneren und volleren Chorklang. (mehr dazu gibt es übrigens in meiner 🎤 Podcast-Folge #3 „Einen „schönen Chorklang“ erreichen - aber wie?“ und nächste Woche in der neuen Podcast-Folge #5 „4 Tipps für einen homogenen Chorklang“ zu hören)


📌 Bilder zeichnen 🌄

Metaphorisch gesprochen meine ich damit, die Imagination der Sänger*innen zu fördern. Metaphern wie „stellt Euch diese Stelle vor wie einen wunderschönen Sonnenaufgang“ oder: „Die Takte 56 bis 62 sollen auf uns hereinbrechen wie ein unerwartetes kräftiges Gewitter“ können helfen, besser in den gewünschten klanglichen Ausdruck zu kommen und haben nebenbei oft auch noch einen positiven Effekt auf Phrasierung und Intonation.


📌 lockern 🏃🏻‍♂️🏃🏻‍♀️

Wenn ich als Chorleiter*in merke, dass meine Sänger*innen und ihre Stimmen müde sind, hilft es oftmals schon aufzustehen, alle Gelenke kurz durchzuschütteln, und das Stück im Stehen nochmal zu singen.
Auch ein sanftes Summen auf „mmmmh“ (freie Glissandi von oben nach unten) oder ein Auslockern des Kiefers (z.B. auf „Bla, bla, bla, bla, bla“) befreit die Kehle und wirkt Wunder.
Wenn die Sänger*innen auf mich sehr müde und etwas lustlos wirken, dann versuche ich es mit einer aktiveren Übung. (Oder ich erzähle einen Witz, was bei mir leider daran scheitert, dass ich mir absolut keine Witze merken geschweige denn erzählen kann. 🙈 Aber Du vielleicht? 😉)


📌 Pause! ⏸

Schlussendlich spielt immer auch die Tagesverfassung der Sänger*innen eine Rolle. Und hier gilt es, als Chorleiter*in möglichst empathisch zu sein, und mit psychologischem Gespür zu merken, was der Chor gerade braucht und spontan darauf eingehen zu können. Im Sinne von „weniger ist mehr“ empfehle ich Dir, wenn in der Probe grad gar nichts mehr geht, einfach mal eine Pause einzulegen. Deine Sänger*innen werden es Dir danken, wenn Du sinnvoll mit ihren Stimm- und Kraftressourcen umgehst.

Anstatt eine Stelle 10x durchzusingen, kann es viel mehr bringen, sie 1x gemeinsam durchzudenken.


Und wenn einmal „gar nichts mehr geht“?
Dann kann ich Dir aus meiner Erfahrung raten, spontan den Mut zu haben, eine Probe vorzeitig zu beenden und nächstes Mal motiviert, mit frischen Stimmen und klaren Köpfen, wieder neu zu starten. 🚀


Ich hoffe, dass in meinem Brainstorming zur „Stimmbildung in der Chorprobe“ einige interessante Ideen und Gedanken für Dich dabei sind.

Jetzt würde mich interessieren:

Welche Methoden zur Stimmbildung in der Chorprobe haben sich für Dich in der Praxis bewährt?
Welche geniale Übung kannst Du empfehlen?

Ich freue mich sehr, wenn Du Dich mit Deiner Nachricht, Deiner Rückmeldung und Deinen Ideen bei mir meldest, und wir in den Austausch kommen.
(✉ mail@marinaschacherl.at)

Eine herzliche Einladung habe ich noch für Dich, in meinen monatlichen E-Mail-Newsletter-Verteiler zu kommen. Als kleines Willkommensgeschenk schicke ich Dir mein liebevoll gestaltetes und praktisches Cheat-Sheet “Einsingen im Chor” zu. 😊
Und ich informiere Dich über meinen Newsletter gerne einmal im Monat über neue Blog-Artikel, Podcast-Folgen sowie über interessante Veranstaltungs- und Büchertipps rund ums Chorleiten und Chorsingen.

Bis bald und alles Liebe
von

Marina
  • Interessierst Du Dich für die KaWa-Methode von Vera Birkenbihl?
    Dann kann ich Dir ihr Buch “Stroh im Kopf” sehr empfehlen. Bei der KaWa-Technik geht es darum, zu Buchstaben eines Wortes Assoziationen zu finden, die mit demselben Buchstaben beginnen. Das macht richtig Spaß und führt zu kreativen Ergebnissen, mit denen man zuvor nicht gerechnet hat! (siehe meine Zeichnung oben 😉)

  • 🎤 Hier geht es zur Folge #3 im Podcast “Chor & Stimme”, in der ich mit Dir meine drei persönlichen Kriterien für einen schönen Chorklang teile - und unter anderem über unterschiedliche Choraufstellungen spreche: Einen “schönen” Chorklang erreichen - aber wie?

  • 📖 Viele hilfreiche und interessante Informationen zum Thema “Einsingen” und “Chorische Stimmbildung” gibt es im Buch Chorleitfaden - Teil 1 von Robert Göstl nachzulesen. Dicke Empfehlung! 👍🏻

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13. Januar 2021

Einsingen im Chor - Teil 2

Im letzten Blog-Post habe ich über das kurzfristige und langfristige Ziel des chorischen Einsingens geschrieben. In dieser Fortsetzung geht es um die inhaltliche Zusammenstellung des Einsingens. Und da wären wir wieder bei der Frage: „Was mach´ ich denn heute beim Einsingen?

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